Sonntag, 18. Oktober 2009

Kapitalmarkteinschätzung 2010

Kapitalmarkteinschätzung 2010 (Stand : 17.10.2009)
von Dirk Schmidt-Sinns (dissi@web.de)

Der rasante Kursanstieg in verschiedenen Anlageklassen seit März 2009 hinterläßt bei vielen Marktteilnehmern gemischte Gefühle. Nach gefühlter Weltuntergangsstimmung zu Jahresbeginn haben Investoren in einer Hoffnungsrallye die Kapitalmärkte stabilisiert, indem sie bei Risikopapieren aller Art die Untergewichtung korrigierten und wieder investierten.
Im Spätherbst 2009 haben viele Anlageklassen ein Niveau erreicht, welches im Marktkonsenz so ambitioniert ist, daß nun harte Fakten über weitere Kursveränderungen entscheiden werden. War der bisherige Aufschwung stimmungsgetragen, kann ein weiterer Kursanstieg nur von deutlichen Verbesserungen in der realen Wirtschaft getragen werden. Bleibt diese Verbesserung aus, droht den Märkten neues Ungemach.

1.) Die ökonomische Großwetterlage
2.) Die Situation der Unternehmen
3.) Anlagenotstand in allen Assetklassen
4.) Ausblick 2010

1.) Die ökonomische Großwetterlage

Der Schuldenstand der Industrienationen (USA, Europa, Japan) ist durch Finanzkrise und Rezession auf absolute Höchststände gestiegen. Die Rettung der Banken und die Stimulierung der Wirtschaft durch Konjunkturprogramme der Regierungen hat immenses Kapital verschlungen - nun droht den Staaten in den nächsten Monaten die Einnahmeseite wegzubrechen. Um diesem Einbruch zu begegnen, stehen Steuererhöhungen an, werden Konjunkturpakete zurückgefahren und drohen harte Kosteneinsparungen im Fiskalhaushalt.
Diese Maßnahmen sind unpopulär und schrecken die Politik. Die Hoffnung auf einen nun selbsttragenden Aufschwung der Realwirtschaft wird damit zum einzig verbliebenen Rettungsanker. Nur ein höheres Wirtschaftswachstum verspricht mehr Steuereinnahmen und reduziert die Notwendigkeit unangenehmer Handlungsalternativen. Und da Wirtschaft bekanntlich zu 80 % aus Psychologie besteht, kann ein bißchen Zweckoptimismus ja nicht schaden.
Speziell in den USA hat die Veröffentlichung unzähliger Wirtschaftsdaten eher Marketing-
charakter. Ein klares Bild der tatsächlichen Entwicklung der wirtschaflichen Situation in den USA läßt sich nicht ableiten, dazu sind die Zahlen und ihre Ermittlung oftmals viel zu nebulös.

Fakt ist, daß nur durch immense staatliche Eingriffe in die Wirtschaft, ein stärkerer Absturz in die Rezession vermieden wurde. Abwrackprämie für Autos, Kaufanreize für Immobilien, Zinssubvention für säumige Hypothekengläubiger, Hilfspakete für angeschlagene Firmen, Kurzarbeitergeld und Steuerschecks für Konsum - um nur ein paar Maßnahmen zu nennen.
Eine derartige Unterstützung der Wirtschaft ist auf Dauer nicht bezahlbar und daher wird der sich selbsttragende Aufschwung herbeigebetet. Die Effekte dieses Aufschwungs wiederum müßen den Wegfall der staatlichen Eingriffe überkompensieren.

Wie schwer das werden dürfte, läßt sich am Beispiel der Abwrackprämie erahnen.
Durch die Abwrackprämie wurde eine Vorwegnahme der Autokäufe der nächsten Jahre erreicht. Der Gebrauchtwagenmarkt hat in dieser Zeit enorm gelitten und die Hersteller von Mittel- und Luxusklassewägen haben kaum profitiert.
Insbesondere kleine, spritsparende Autos wurden verkauft. In 2010 dürfte die Nachfrage in diesem Segment um bis zu 30 - 40 % einbrechen. Wird dieser Einbruch von neuen Autokäufern ausgeglichen, die aufgrund der verbesserten Wirtschaftslage neue Autos kaufen ?

Sofern die Staaten ihre Unterstützung für die Wirtschaft deutlich reduzieren, droht im schlimmsten Fall ein Rückfall in die Rezession. Haushaltsdisziplin und steigende Steuern sind ebenfall Belastungsfaktoren für das Wirtschaftswachstum.
Bleiben drei Faktoren, die für ein höheres Wirtschaftswachstum sprechen könnten.
Der Konsument, die Firmen (siehe Kapitel 2) und die Schwellenländer (China, Indien, Lateinamerika)

Der Konsument hat sich in Europa und Japan als Stütze der Wirtschaft erwiesen.
Wurde der Privatkonsum in den letzten Jahren, speziell in Deutschland, eher als Wachstumsbremse begriffen, zeigte sich in der Krise, daß ein sparsames Volk in schlechten Zeiten eher in der Lage ist, sein bisheriges Konsumverhalten beizubehalten. So schnell wird aus einer Bremse ein Stabilisator. Länder mit einer niedrigen Sparquote in der Vergangenheit verfügten nicht über diesen Stabilisator.

Entscheidend für die Stabilität des Konsums ist auch die Arbeitsplatzsicherheit.
In Nationen mit geringem Kündigungsschutz sind die Arbeitslosenzahlen bereits enorm gestiegen, bspw. in USA, wo sich die Arbeitslosenquote verdoppelt hat auf fast 10 %. Während die Amerikaner möglicherweise zukünftig ihren Arbeitsmarkt schneller stabilisiert bekommen, drohen in Deutschland durch den Wegfall der Kurzarbeit stark steigende Arbeitslosenzahlen. Dies dürfte den Konsum in 2010 belasten.

Der Wegfall von Konsum in den Industrienationen könnte durch einen erhöhten Konsum aus den Schwellenländern ausgeglichen werden. In einer ersten Globalisierungswelle wurden einfache und personalintensive Fertigungsschritte an Billiglohnstandorte übertragen. Dies führte dazu, daß Länder wie China und Indien einen Boom erlebten, der allerdings stark von ausländischer Nachfrage getrieben war.
Andere Länder wie Russland und Brasilien finanzierten ihren Konsum durch den Verkauf ihrer Rohstoffe auf dem Weltmarkt. Mit dem Einbruch der Rohstoffpreise sank dieser Konsum wieder deutlich.

China hat auf die Weltfinanzkrise mit einem enormen Konjunkturpaket für die heimische Infrastruktur reagiert und schafft damit die Voraussetzung für weiteres Wirtschaftswachstum. Das Land hat erkannt, daß es - nur als billiger Produzent für ausländischen Konsum - keine nachhaltige Entwicklung seiner Volkswirtschaft erreichen kann.
Aber die Entwicklung eigener Kaufkraft in China wird nicht so dynamisch verlaufen, wie sie während der Auslagerung internationaler Produktion für Billiglohn erfolgte. Nun gilt es, im internationalen Wettbewerb eigene Produkte zu positionieren. Gleichzeitig werden Länder, wie China und Indien weiterhin von ihren deutlich niedrigeren Lohnkosten, auch für qualifizierte und hochqualifizierte Tätigkeiten, profitieren können. Allerdings wird auch diese Entwicklung weniger dynamisch erfolgen können, als dies in der ersten Globalisierungswelle der Fall war.
Der Rückgang des ausländischen Konsums wird das Wirtschaftswachstum in den Schwellenländern begrenzen. Der Beitrag dieser Länder zum Weltwirtschaftswachstum wird deutlich positiv sein, allerdings den Nachfragerückgang in den Industrienationen nicht ausgleichen können.

Fazit : „Die Rezession ist vorbei !" - denn Rezession definiert sich als Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) über mindestens drei Quartale in Folge. Das wiederum bedeutet, daß das erste Quartal mit positivem Wachstum das Ende der Rezession bedeutet.
Nach der Lehman-Pleite fiel die Wirtschaftsleistung rasant innerhalb kürzester Zeit.
Vor allem brach das BIP massiv ein. Dieser Effekt läuft im Herbst 2009 aus, d.h. auf Basis von Vorjahresvergleichen wird der enorme Einbruch der Wirtschaft ab 2010
ausgeblendet. Das Ende der Rezession bedeutet dabei in keinstem Fall die Rückkehr zu den Wachstumszahlen der Vorjahre.
Dauerhafte Nachfrageausfälle erzeugen die Überschuldungssituation der Amerikaner (private Haushalte, Kommunen und Staat) und die Überschuldungssituation der Staatshaushalte der Industrienationen. Steuererhöhungen und die Rücknahme staatlicher Hilfspakete werden die Nachfrage belasten.
Ausgleichend wirkt die steigende Nachfrage aus den Schwellenländern. Sie wird allerdings die dauerhaften Nachfrageausfälle aus den Industrienationen nur zum Teil kompensieren.
Die Industrienationen könnten versucht sein, ihre angespannten Staatshaushalte weiterhin zu ignorieren und unter Erhöhung der Staatsschulden weiterhin weder Steuern zu erhöhen, noch die Kosten im Staatshaushalt zu senken und bei Bedarf die Wirtschaft weiterhin auf Pump zu stützen. Dies würde die Staatsschulden exlodieren lassen, aber weiterhin ein Wirtschafts-
wachstum „auf Kredit" erzeugen.
Politisch wird man sich folglich für einen Mittelweg entscheiden - „Das eine tun, das
andere nicht lassen !" In diesem Szenario wäre ein moderates, allerdings wenig dynamisches Wachstum möglich.

2.) Die Situation der Unternehmen

Die Weltwirtschaftskrise wird in einigen Sektoren für eine beschleunigte Bereinigung der Überkapazitäten sorgen. Unternehmen mit hohem Verschuldungsgrad scheiden aus dem Markt aus oder werden in ihrem weiteren Wachstum mangels Kreditvergabe gehemmt.
Schwierig ist die Situation bei großen Unternehmen, die im nationalen Kontext „too big to fail" sind. Diese Unternehmen werden mit staatlicher Unterstützung am Leben gehalten, was branchenweit dazu führt, daß sich die Überkapazitäten im Markt nicht abbauen. Dies belastet global die ganze Branche, da derart „gerettete" Unternehmen erneut als Wettbewerber auftreten und die Marktbereinigung nicht erfolgt, bzw. nur in den Ländern erfolgt, die eine staatliche Stützung ihrer Unternehmen ausschließen Ab einer gewissen Unternehmensgröße folgt daraus, daß diese Unternehmen auf Kosten anderer kleinerer Wettbewerber am Leben gehalten werden d.h. perspektivisch zu Lasten noch gesunder Wettbewerber. Dies fördert den Konzentrationsprozess und die Entwicklung noch größerer Unternehmen und bedeutet mittelfristig erhöhte Abhängigkeiten im Wirtschaftssystem.

In vielen Branchen sind die Umsätze stark rückläufig gewesen und oftmals auch heute noch zweistellig im Minus ggü. 2007. Die Unternehmen haben in der Krise schnell und effizient auf der Kostenseite reagiert und den Umsatz- und Gewinneinbruch durch Kosteneinsparungen zumindest teilweise ausgeglichen.
In den Quartalsberichten der letzten zwei Quartale war deutlich erkennbar, das verbesserte Unternehmensgewinne weniger von Umsatzanstiegen beeinflußt wurden, sondern den ergriffenen Maßnahmen auf der Kostenseite geschuldet waren. Dies zeigt sich an den stark gestiegenen Arbeitslosenzahlen, bzw. dem starken Anstieg der Kurzarbeit. Mit angepassten Kostenstrukturen sind die Unternehmen in der Lage die Krise zu überstehen.

Seit Frühsommer 2009 haben die Unternehmen ihre bis dahin stark reduzierten Läger wieder aufgefüllt und die Produktion leicht erhöht, um der Stabilisierung der Wirtschaft Rechnung zu tragen. Diese Effekte haben erste Indikationen für eine verbesserte Wirtschaftstätigkeit geliefert, müssen sich aber durch reale Umsatzsteigerungen in den nächsten Quartalen bestätigen. Sollten die Umsätze in den nächsten Monaten nicht deutlich ansteigen, bleibt
sonst wenig Potential für weiter steigende Unternehmensgewinne.

Weitere Schritte auf der Kostenseite werden die erneute Verlagerung von personalintensiven Arbeitsschritten an Billiglohnstandorte sein, was eine weitere Personalfreisetzung in den Industrienationen bedeutet. Eine stark steigende Zahl an Arbeitslosen wiederum wird sich belastend auf die Konsumnachfrage der Industrienationen auswirken.

Ergo ruht die Hoffnung international agierender Unternehmen auf einer steigenden Auslandsnachfrage der bevölkerungsstarken Schwellenländer. Dort sind höhere Stückzahlen absetzbar, zu allerdings geringeren Margen. Sollte die Auslandsnachfrage deutlich steigen, könnten diese Unternehmen davon profitieren und in der Folge die heimischen Zulieferer und damit die heimische Wirtschaft ebenfalls. Andernfalls würden die Rufe nach neuen staatlichen Fördermaßnahmen laut, um die nächste Durststrecke ohne große Blessuren zu überstehen.

Fazit : Die Rezession ist vorbei - die Märkte haben sich stabilisiert. Die Überkapazitäten in vielen Bereichen sind noch da, die Kapazitätsauslastung ist historisch niedrig. Dies ist ein Umfeld für Verdrängungswettbewerb, zunehmend auch mit neuen Konkurrenten aus den Schwellen-
ländern. Moderat steigende Umsätze werden die Unternehmen auch auf der Kostenseite
fordern. In diesem Umfeld wird die Gewinndynamik vom heutigen Niveau aus eher niedrig sein. War es bis zuletzt möglich, im Rahmen der Stabilisierungstendenz schnell die Gewinn-
erwartungen der Märkte zu übertreffen, wird dies in den nächsten Quartalen deutlich schwieriger werden. Den steigenden Absatzpotentialen in den Schwellenländern stehen stagnierende bis rückläufige Absätze in den Industrienationen gegenüber.
Die Unternehmensgewinne werden maximal moderat steigen.

3.) Anlagenotstand in allen Assetklassen

Die Niedrigzinspolitik der internationalen Notenbanken hat die Kapitalanlage der letzten Monaten stark beeinflusst. Die kurzfristige Liquidität war aufgrund der Risikoaversion der Marktteilnehmer ohnehin sehr hoch. Diese Liquidität wurde durch die Rettungsaktionen für die Banken sogar noch erhöht.
Aufgrund fehlender Investions- und Anlagealternativen und mit steigender Risikobereitschaft fließen diese Gelder nun zurück an die Kapitalmärkte und werden dort in vermeintlich fortlaufend handelbaren Anlageklassen investiert.
Interessant ist hierbei, daß das Kapital kaum in der Realwirtschaft investiert wird, sondern überwiegend die Preise in fast allen Assetklassen in die Höhe treibt. Während Unternehmen über eine schlechte Kreditversorgung klagen, wird die Liquidität der Marktteilnehmer an den internationalen Kapitalmärkte investiert.

Während die Inflation im HVPI (Harmonisierter Verbraucherpreis-Index) auf niedrigem Niveau verharrt, befindet sich der Preisanstieg in den Anlageklassen Staatsanleihen, Unternehmens-anleihen, Aktien, Rohstoffe auf einem sehr hohen Niveau. Aktienmärkte steigen binnen kürzester Zeit um 60 % und mehr, Staatsanleihen sind extrem teuer, obwohl die Staatsschulden explodieren und Unternehmensanleihen bringen kaum Rendite, trotz weiterhin schwierigem Umfeld für die Unternehmen.

Problematisch wird dieser Zustand, wenn der Anlagenotstand fast ausschließlich über steigende Preise an den Kapitalmärkten verarbeitet wird, und in der Realwirtschaft tatsächlich kaum investiert wird. Dieser Zustand führt zwangsläufig zu einer fortwährenden Bildung von Spekulationsblasen, deren Platzen die Kapitalmärkte erneut in extremen Stress versetzt. Fast zwangsläufig sind dann auch wieder Banken involviert, deren Betätigungsfeld „qua Definition" unter anderem die Kapitalmärkte sind.

Während in der Krise alle Anlageklassen im Gleichklang fielen - mit Ausnahme von
Staatsanleihen und Bankeinlagen - steigen nun alle Assetklassen gleichzeitig wieder an, mit den besagten Ausnahmen, deren Renditen auf niedrigstem Niveau verharren. Bleiben die Leitzinsen niedrig, wird sukzessive immer mehr Kapital aus renditeschwachen Anlagen in Risikoanlagen switchen. Der Gleichlauf in der Preisentwicklung von Risiko-Assets führt erneut dazu, daß Diversifikationseffekte im Portfolio kaum erreichbar sind. Dies erhöht die Schwankungs-
anfälligkeit aller Portfolien, mit Ausnahme von Staatsanleihen „guter" Emittenten und Bankanlagen.

Die weitere Entwicklung der Staatsschulden wird die Einschätzung „guter" Emittenten" beeinflussen. So ist zwingend erforderlich, bei weiter ausufernden Staatsdefiziten, die Bonitätseinschätzung des betreffenden Landes zu senken. Staaten müssten höhere Risikoaufschläge bezahlen, die Preise für Staatsanleihen fallen.

Gleichzeitig sind die internationalen Notenbanken aufgefordert, Exit-Strategien zu
entwickeln, um die enorme Liquidität der Märkte zu verringern, sofern sich die
wirtschaftliche Erholung fortsetzt. Im übrigen muß die Liquidität auch dann verringert werden, wenn sich die wirtschaftliche Erholung nicht fortsetzt. Die Liquidität würde ansonsten fortwährend die Preise kapitalmarktnotierter Assetklassen treiben, da dort die höheren Renditehoffnungen locken. Zu befürchten ist, daß die Kapitalmärkte in dem Moment, in dem die Notenbanken die ersten Schritte in diese Richtung andeuten, in deutlichen Streß geraten. Die Hoffnung muß sein, daß die restriktivere Notenbankpolitik ein Indikator für eine verbesserte Wirtschaftslage ist.

Die Aufgabe der Notenbank wird folglich sein, die Maßnahmen der Exit-Strategie
in vielen kleinen Schritten zu vollziehen, die im Rahmen einer fortschreitenden
Genesung der Wirtschaft in Etappen umgesetzt werden können.

Fazit : Bereits in der Krise wurde offensichtlich, daß es die vermeintlich sicheren Kapitalanlageformen schlussendlich nicht gibt. Für jede Form der Kapitalanlage mit Realverzinsungsanspruch (inflationsbereinigt) gibt es Wachstumserfordernisse in der Wirtschaft. Wird die Ökonomie dieser Wachstumsanforderung dauerhaft nicht gerecht, entfällt perspektivisch jeglicher Renditeanspruch.
Da die Kapitalmärkte - wie der Name schon sagt - durch die Menge des zur Verfügung gestellten Kapitals bewegt werden, führt eine lockere Geldpolitik der Notenbanken zu einer Bildung von Spekulationsblasen und Marktungleichgewichten. Erste Tendenzen hierzu sind bereits erneut wieder deutlich erkennbar.

4.) Ausblick 2010

In der Krise galt „Cash is King !". Nach der Krise gilt „Investieren, Investieren ...!".
Da Marktteilnehmer an den Kapitalmärkten meist von Angst und Gier getrieben sind, ist ihr Verhalten meist wenig rational. Während gestern noch Sicherheit Trumpf war, besteht schon morgen die Angst, bei einem Aufschwung nicht dabei zu sein. Entsprechende Rendite-
erwartungen der Kapitalanleger verstärken dieses Dilemma.

In Zeiten nachhaltigen Wirtschaftswachstums kann die Mehrzahl der Anleger dauerhaft angemessene Renditen erzielen. Ohne Wirtschaftswachstum wird die Kapitalanlage immer mehr zum Glücksspiel. Die Schwankungsbreite der Märkte nimmt zu und die Investoren sind gefordert für Outperformance rechtzeitig ein- und auszusteigen. Völlig logisch, daß dies der Mehrzahl der Investoren nicht gelingen kann. Ohne Wachstum ensteht keine echte Wertsteigerung in der Realwirtschaft und an den Kapitalmärkten wird nur Geld umverteilt.
Seit geraumer Zeit ist an den Aktien-, Rohstoff- und Immobilienmärkten eine steigende Schwankungsbreite (Volatilität) erkennbar. Selbst Staatsanleihen - immer noch zu Unrecht als „Hort der Stabilität" angesehen - wiesen in der Finanzkrise erstmals eine höhere Volatilität auf.

Für das Jahr 2010 wünschen sich die Staaten und Notenbanken eine weitere Erholung der Wirtschaft. Dafür werden sie vieles tun. Restriktive Schritte werden wohldosiert gehalten, um das fragile Pflänzchen Wirtschaftswachstum nicht durch eine Rücknahme der ergriffenen Maßnahmen wieder im Keim zu ersticken.
Nur eine zunehmende Dynamik der Erholung der Wirtschaft würde eine schnellere und effektivere Vorgehensweise ermöglichen.

Von den Marktteilnehmern an den Kapitalmärkten ist vermutlich ein weniger besonnenes Verhalten zu erwarten. Die schnellen Gewinne aus 2009 gilt es zu verteidigen und eine hohe Schwankungsbreite der Märkte schafft die Voraussetzungen für weitere schnelle Gewinne.

Basiseffekte in der Messung des Wirtschaftswachstums führen ab 2010 dazu, daß im Vorjahresvergleich über Monate hinweg ein deutliches Wirtschaftswachstum berichtet werden kann. Die Stimmungsindikatoren sind jetzt bereits wieder nahe ihrer Höchststände.
Auch die Unternehmensgewinne werden in den nächsten Monaten im Vorjahresvergleich deutlich angestiegen sein. Allerdings sind dies statistische Größen.
Wenn die Temperatur von 1 auf 2 Grad gestiegen ist, dann handelt es sich statistisch gesehen um einen Anstieg um 100 % - aber es ist immer noch kalt.

In der Vergangenheit haben Anleger in einem derartigen Umfeld weiterhin investiert.
Die folgenden Kursanstiege haben andere Marktteilnehmer unter „Performancedruck" gebracht und weitere Investments nach sich gezogen. Der Markt zog sich quasi selbst nach oben. Unterstützung erfuhren die Märkte stets durch niedrige Leitzinsen der Notenbank. Diese wurden von einigen Investoren genutzt, um zusätzlich Spekulationen auf Kredit zu betreiben. Aus heutiger Sicht muß man davon ausgehen, daß sich diese Handlungsmuster wiederholen.

Nur entschlossene Maßnahmen der Notenbanken und Staaten können diesem Treiben vorzeitig ein Ende setzen. Und genau dieses Handeln wird erforderlich sein, um die Krisenfestigkeit des Systems zu verbessern.

Würden die Marktteilnehmer stattdessen ebenfalls „besonnen" handeln, bleibt für 2010 wenig Potential für weitere Kursanstiege in vielen Anlageklassen. (Aktien, Rohstoffe, Immobilien, Corporate Bonds, Treasuries)

Dirk Schmidt-Sinns
dissi@web.de